Wir hatten gute Verbündete

SKW Piesteritz hat Geburtstag. Die Blickpunkt-Redaktion sprach mit dem Vorsitzenden der Geschäftsführung, Rüdiger Geserick über alte Zeiten und neue Herausforderungen.

Herr Geserick, am 24. Februar 2018 ist die SKW Piesteritz 25 Jahre geworden. Eine ostdeutsche Erfolgsgeschichte?
Nicht per se. Schon allein die Tatsache, dass das Unternehmen zwar im Februar 1993 gegründet wurde, aber erst ein halbes Jahr später die volle Geschäftstätigkeit aufnehmen durfte, spricht für sich. Wären die Bayern der SKW Trostberg und engagierte Piesteritzer nicht gewesen, wäre der Standort vielleicht den Weg vieler ostdeutscher Unternehmen gegangen…

Vielleicht sollte man das positive Engagement der vielgescholtenen Treuhandanstalt nicht vergessen, die mit dafür gesorgt hat, dass der Chemiestandort Piesteritz zu 100 Prozent privatisiert werden konnte…
…das stimmt. So gesehen ist Piesteritz schon damals „aus der Reihe getanzt“…

Was sich ja dann mit dem Erwerb durch AGROFERT a.s. fortsetzen sollte.
Richtig. Damals wie heute ist es ja eher nicht die Regel, dass osteuropäische Unternehmen sich in Ostdeutschland engagieren. Für den Industriestandort Piesteritz von Lutherstadt Wittenberg aber war das ein Segen. Das tschechische Mutterhaus versteht nicht nur etwas von Düngemitteln, sondern auch – und das wurde in jüngster Vergangenheit wichtig – von der Lebensmittelindustrie. Während die Bayern Piesteritz sozusagen über die Wende geholfen hatten, gab AGROFERT a.s. dem Standort eine Perspektive – nicht zuletzt durch einen enormen finanziellen Rückhalt. 

Sind damit die wichtigsten Erfolgsgaranten für das Vierteljahrhundert Firmengeschichte genannt?
Nein. Das sind ganz wesentliche Rahmenbedingungen – sie allein aber sichern kein Unternehmen.Es ist Aufgabe des Unternehmens, selbst zu bestimmen, wie diese Voraussetzungen für eine möglichst konkrete und erfolgreiche Geschäftspolitik genutzt werden können. Und da hat sich die Geschäftsführung entschlossen, weiterhin aus der „Reihe zu tanzen“ – und das in der ganzen Bandbreite.

Können Sie Beispiele nennen?
Ja. Einer der ersten Schritte war, den Stellenwert der Forschung zu erhöhen, und zwar drastisch. Das wiederum schuf die Möglichkeit, die Innovationsquote zum Beispiel im Bereich Düngemittel von unter ein Prozent im Gründungsjahr auf gegenwärtig beinahe 70 Prozent zu erhöhen. Wir besitzen dank dieser Entwicklung nun genau die Düngemittel, die die neue Düngeverordnung vorschreibt! Wir lehnten es weiterhin ab, dem Flächentarifvertrag beizutreten und kämpften für unseren Haustarif.

Außerdem haben wir nicht nur die Mitarbeiter-Nachfolge-Entwicklung in einem umfangreichen Programm geregelt, sondern auch selbst jene Rahmenbedingungen geschaffen, für die eigentlich der Staat zuständig ist: Kindereinrichtungen, medizinische Betreuung. Ernteten wir vor Jahren noch Unverständnis, wenn wir sagten, mit den Kindereinrichtungen, dem Medicum und dem futurea Science Center sichern wir unsere Ammoniak- und Harnstoffproduktion, so hat das Leben uns mittlerweile recht gegeben. Und die Zahl der Interessierten aus Wirtschaft und Staat an dieser Entwicklung unseres Standorts ist im Wachsen begriffen.

Beim Tanzen, auch beim „Tanzen aus der Reihe“, braucht man Partner. Finden Sie die in erster Linie in der Kommunal- und Landespolitik?
Ohne Frage, diese Partner sind wichtig. Doch die wichtigsten sind unsere Mitarbeiter selber. Diesen Erfolgsweg der zurückliegenden zwölf Jahre hätten wir ohne das kritische Mittun und das Engagement der Mitarbeiter – und ich betone: auch ihrer Mitarbeitervertretung – nicht zurücklegen können. Die Wirtschaft ist für den Menschen da, nicht umgekehrt!

Aber es gab ja auch und nicht zuletzt mit der Führung des Betriebsrates hartnäckige Debatten zu den unterschiedlichsten Themen.
Das stimmt. Wenn ich allein an die Diskussion um die Neuausrichtung der Schichtarbeit denke… Nein, ich würde lügen, wenn ich sagte, dass die Zusammenarbeit mit diesem Gremium bequem sei. Ich habe in der Diskussion gerade auch mit den beiden führenden Betriebsräten so manches graue Haar erworben. Aber was soll`s! Letztendlich hat sich erwiesen, dass der Betriebsrat unter den Herren Paul und Stehr die Meinungen verteidigt, die in der Regel die Mehrheit der Mitarbeiter vertritt. Und mit welchem Sachverstand sie zum Beispiel um das neue Schichtsystem rangen, nötigte meine Achtung ab.

Es gibt nicht wenige Unternehmen, in denen die Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat und Unternehmensleitung etwas, sagen wir, harmonischer läuft…
…vielleicht, aber darum geht es ja nicht. Was letztendlich zählt, ist das Wohl und Wehe des Gesamtunternehmens. Und dazu haben die Mitarbeitervertretungen in den zurückliegenden Jahren beigetragen. Ich kenne auch Betriebe, in denen die Kontroverse zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat – allein um der Kontroverse willen – die Firma an den Rand des Aus gebracht hat. Das möchte ich bei uns nicht erleben! Wobei – das ist gleichermaßen wahr – auch die SKW Piesteritz davor nicht gefeit ist.